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Euro: Ende der Anonymität? EZB arbeitet an Alternative zu Münzen und Scheinen - FOCUS Online

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Warum wird zur Eile gemahnt?

Mitte Juni hat der Bundesverband deutscher Banken (BDB) ein Positionspapier zu "Europas Antwort auf Libra" veröffentlicht. In ihm lotet der Verband allgemein das Potenzial und die Bedingungen eines programmierbaren Euro aus. Ein wichtiger Aspekt ist dabei digitales Zentralbankgeld. Praktisch zeitgleich hat der italienische Bankenverband ABI eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er sich sogar ausschließlich auf "10 Kriterien für digitales Zentralbankgeld" konzentriert. Beide Verbände fordern angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Bestrebungen aus China und den USA (digitaler Renminbi, Libra) ein schnelles und entschlossenes Handeln.

Der Präsident der Banque de France, Villeroy, sieht das ähnlich: Die Sicherung der geldpolitischen Souveränität ist aus einer Sicht der "wichtigste Grund" für die Politik dafür, die Projekte rund um das digitale Zentralbankgeld voranzutreiben. Innerhalb des EZB-Rats hat sich Villeroy in letzter Zeit wohl am ausführlichsten zum digitalen Zentralbankgeld geäußert.

Welche Vorteile bietet CBDC?

Einen aus Notenbanksicht wichtigen Grund für die Einführung von digitalem Zentralbankgeld hat das damalige EZB-Direktoriumsmitglied Coeure bereits in einer Rede vor gut zwei Jahren betont: Man könnte die Geldpolitik effizienter machen, indem man digitales Zentralbankgeld verzinst.

Häufig wird die Einführung von digitalem Zentralbankgeld mit dem Ziel erklärt, Bargeld zu verdrängen, um Negativzinsen in der Breite durchsetzen zu können. Coeure präsentierte in seiner Rede nun eine Modellrechnung, derzufolge der Effekt einer Leitzinsänderung auf Wachstum und Inflation im Fall von verzinstem digitalen Zentralbankgeld um bis zu 30 Prozent höher ausfallen könnte.

Villeroy nennt neben der oben genannten Sicherung der geldpolitischen Souveränität noch zwei weitere Gründe, das Projekt digitales Zentralbankgeld voranzutreiben:

  • Zum einen verweist er darauf, dass Zahlungen mit Bargeld zunehmend außer Mode geraten, sodass es notwendiger wird, eine digitale Alternative zu physischen Münzen und Geldscheinen zu schaffen, damit weiter alle Bewohner des Euroraums Zugang zu Zentralbankgeld haben.
    Dieses Argument ist zwar generell richtig, es besteht aber aus diesem Grund wohl keine besondere Eile, mit dem Projekt digitales Zentralbankgeld schnell voranzukommen. Beispielsweise finden nach Angabe der Bundesbank immer noch drei Viertel aller Zahlungen im Laden bar statt, und die Quote nimmt nur langsam ab.
  • Zum anderen betont Villeroy, die Digitalisierung von Zentralbankgeld würde zu einem effizienteren Zahlungsverkehr führen (Zahlungen in Echtzeit, einfachere Handhabung, kostengünstig, hohe Sicherheit).
    Auch dieses Argument ist grundsätzlich nachvollziehbar. Allerdings muss nicht unbedingt die Zentralbank für einen effizienten Zahlungsverkehr sorgen. In einer Marktwirtschaft sollte es zunächst Aufgabe der Privatwirtschaft sein, für entsprechende Angebote zu sorgen, denn durch Wettbewerb dürften die Effizienzgewinne steigen. Der Staat sollte insbesondere für gute Rahmenbedingungen sorgen, also z. B. Vorschriften machen, die Geldwäsche oder die Finanzierung von Terrorismus verhindern.

Gelegentlich wird als weiterer Vorteil von digitalem Zentralbankgeld genannt, dass dieses als Notfall-Zahlungsverkehrssystem bei Finanzmarktkrisen fungieren könnte, wenn Finanzmarktakteure einander nicht mehr vertrauen und deswegen vor Transaktionen zurückschrecken.

Manchmal wird auch argumentiert, dass digitale Zahlungen eine Spur hinterlassen, während Bargeld anonyme Transaktionen ermöglicht. Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld würde die Möglichkeiten zur Verhinderung und Rückverfolgung illegaler Transaktionen (Geldwäsche, Kriminalität, Steuerhinterziehung) verbessern.

Ob solch eine Möglichkeit als Vorteil angesehen werden sollte oder ob Widerstand gegen eine solche verstärkte Überwachung angezeigt wäre, ist allerdings eine vollkommen offene Frage. Letztlich ist unter anderem zu klären, wie stark digitales Zentralbankgeld rückverfolgbar sein sollte oder ob es so gestaltet werden sollte, dass es – wie Bargeld – so weit wie möglich Anonymität gewährleistet. EZB-Direktoriumsmitglied Panetta betont, dass dies weit mehr sei als nur eine technische Frage, und als solche gehört sie nicht allein von den Zentralbanken beantwortet, sondern auch von der Politik.

Schließlich wird mitunter als Vorteil genannt, dass durch die Einführung von digitalem Zentralbankgeld die Notenbankgewinne steigen dürften, weil die Bargeldproduktion recht kostenintensiv ist.

Welche Risiken bergen CBDC?

Der EZB-Rat erkennt aber nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken durch die Einführung von digitalem Zentralbankgeld.

So wies Bundesbankpräsident Weidmann in einer 2018 gehaltenen Rede darauf hin, dass digitales Zentralbankgeld wohl eine aus Anlegersicht attraktive Alternative zu Bankeinlagen darstellt. Die Geschäftsbanken könnten Zinsaufschläge bieten, um eine Umwandlung von Bankeinlagen in digitales Zentralbankgeld zu verhindern. Im Einlagen-Kreditgeschäft würden die Margen dadurch weiter sinken, was aus Finanzstabilitätssicht problematisch sein könne, argumentiert Weidmann.

Ulrich Bindseil, Leiter der Abteilung Market Infrastructure and Payments in der EZB und Autor eines Anfang 2020 veröffentlichten Working Papers zum digitalen Zentralbankgeld, betont, dass die Bevölkerung CBDC zwar für Zahlungen benutzen sollte, nicht aber für Anlagezwecke. Ansonsten würde die Zentralbank nämlich in die Rolle eines Finanzintermediärs hineinwachsen, für die sie keine besondere Qualifikation habe.

Ein großes Risiko aus Finanzstabilitätssicht sehen sowohl Weidmann als auch Bindseil in der Möglichkeit eines digitalen Bank-Runs. Der Bundesbankpräsident führt aus, dass bei einem klassischen Bank-Run das abgehobene Geld anders verwahrt werden müsste, was entweder mit Risiken oder mit Kosten verbunden sei. Im Fall eines digitalen Bank-Runs könnten Ersparnisse per Mausklick auf das eigene Konto bei der Notenbank überwiesen werden und damit aus dem privaten Finanzsystem fliehen. Die Schwelle, dies zu tun, sei vermutlich wesentlich niedriger.

Weidmann zeigte sich bewusst, dass manche Kritiker des bestehenden Geldsystems dessen entscheidende Schwachstelle in der Geldschöpfungsmöglichkeit der Geschäftsbanken sehen, weil diese eine wesentliche Ursache für schädliche Kreditzyklen seien. Er hält es jedoch für einen Fehler, das Geschäftsmodell von Banken grundsätzlich infrage zu stellen, da die historischen Erfahrungen mit einem einstufigen Bankensystem mit einer zentralen Kreditvergabe durch die Notenbank ernüchternd seien. Die ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaften hätten gezeigt, dass der Staat oder die Notenbank nicht die besseren Banker sind.

Ganz ähnlich wie Weidmann argumentierte auch EZB-Direktoriumsmitglied Panetta 2018 in einer Rede, damals noch in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der italienischen Notenbank. Zudem bezweifelte er, dass die Bereitstellung von digitalem Zentralbankgeld tatsächlich zu einer sogenannten finanziellen Inklusion führen würde: Es wird häufig argumentiert, dass bei digitalem Zentralbankgeld die Hürde für den Zugang zu Zahlungsverkehrssystemen viel niedriger sei, da die physische Existenz einer Geschäftsbank nicht unbedingt erforderlich sei und die Kosten gering sind. Panetta wies in seiner Rede allerdings darauf hin, dass 90 Prozent der Haushalte ohne Bankkonto über keine oder nur eine geringe formale Bildung verfügen. In dem Maße, in dem Verbraucher nicht nur aus Kostengründen keinen Zugang zu Bankkonten haben, würde die Einführung von digitalem Zentralbankgeld die finanzielle Inklusion auch nicht verbessern, argumentierte er. Seinen Ausführungen wäre hinzuzufügen, dass digitales Zentralbankgeld möglicherweise bei der älteren Generation sogar zu einer finanziellen Exklusion führt, da diese mit den technischen Anforderungen nicht Schritt halten können.

Wie könnte die EZB einen Krypto-Euro ausgestalten?

Den bisherigen Ausführungen zufolge dürfte es für die EZB darum gehen, digitales Zentralbankgeld so auszugestalten, dass es einerseits bei der Bevölkerung nicht als attraktives Anlageinstrument angesehen wird, andererseits die Transmission der Geldpolitik aber effektiver gestaltet, weil es verzinst wird.

Ulrich Bindseil hat in dem weiter oben zitierten Working Paper einen Vorschlag gemacht, der beide Kriterien erfüllt. Er schlägt einen Staffelzins für digitales Zentralbankgeld vor. Digitales Zentralbankgeld in einem Umfang von bis 3000 Euro will er mit dem gleichen Zinssatz vergüten wie ihn Banken für ihre Überschussliquidität bei der EZB bekommen (Einlagezins), mindestens aber mit 0 Prozent. Für alles über 3000 Euro gäbe es dagegen nur einen Zins deutlich unterhalb des Einlagezinses, höchstens aber 0 Prozent. Den Betrag von 3000 Euro hat Bindseil ausgewählt, weil dieser nach seinen Angaben in etwa dem Bargeldumlauf pro Kopf im Euroraum entspricht, und zudem auch als durchschnittliches Monatseinkommen von Haushalten im Euroraum interpretiert werden kann. Durch die Wahl der Zinsen will Bindseil CBDC als Zahlungsmittel attraktiv, aber als Wertaufbewahrungsmittel unattraktiv machen.

Darf die EZB das überhaupt?

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich führt regelmäßig Umfragen unter den Notenbanken zum digitalen Zentralbankgeld durch. Den zuletzt veröffentlichten Umfrageergebnissen von Anfang des Jahres zufolge gaben zwar über 80 Prozent der Notenbanken an, sich mit Projekten und Analysen zu CBDC zu beschäftigen. Aber nur 20 Prozent erklärten, dass der rechtliche Rahmen zur Einführung von digitalem Zentralbankgeld in ihrem Land geklärt sei.

Laut EU-Vertrag "hat der EZB-Rat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten innerhalb der Union zu genehmigen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind zur Ausgabe dieser Banknoten berechtigt. Die von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten."

Die Sichtweise, CBDC sei Bargeld in digitaler Form und deswegen rechtlich möglich, greift jedoch zu kurz. Das wäre höchstens dann plausibel, wenn digitales Zentralbankgeld exakt die gleichen Funktionen wie Bargeld hätte. Aber das ist nicht der Fall, denn CBDC könnte als geldpolitisches Instrument eingesetzt werden und seine Einführung könnte weitreichende Auswirkungen auf das Finanzsystem haben, insbesondere auf die Rolle der Geschäftsbanken. Ein rechtlicher Rahmen muss deswegen erst noch erarbeitet werden.

Wie lange dauert das noch?

Digitales Zentralbankgeld ist eindeutig ein langfristiges Projekt. Ulrich Bindseil erklärte vor kurzem, dass es aus seiner Sicht nach einem Beschluss zur Einführung mindestens noch vier bis fünf Jahre dauern würde, bis digitales Zentralbankgeld eingeführt werden könnte. Wie beschrieben sind zahlreiche grundsätzliche Fragen zu den Auswirkungen auf Geldpolitik und Finanzsystem zu klären, die genaue Ausgestaltung ist ebenso festzulegen wie der rechtliche Rahmen. Zudem ist zu entscheiden, welche Technologie für CBDC ausgewählt wird und wie diese gewartet wird, wie und von wem die Transaktionen überwacht werden und wer die Verantwortung für die Bekämpfung von Geldwäsche und der Finanzierung von Terrorismus trägt.




July 04, 2020 at 03:40PM
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